Für viele ist es ein Lebenstraum: einmal Berggorillas in freier Wildbahn sehen. Das kann man auf dieser Welt nur noch an einem Ort – dort, wo die Länder Uganda, Ruanda und Kongo in Afrika zusammenlaufen (und in den dementsprechend umliegenden Nationalparks). Dafür muss man, wenn man aus Deutschland anreist, etwa neun Flugstunden auf sich nehmen. Dazu kommen viele Stunden im Auto auf unebenen Straßen.
Auf zum Gorilla Trekking
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Lake Mburo in Uganda
Es ist früh am Morgen, sechs Uhr, an einem großen See im Lake Mburo Nationalpark in Uganda. Hier haben wir übernachtet. Ich bin sehr angespannt und aufgeregt. Es ist stockdunkel, als unsere Reisegruppe den steilen Berg von der Lodge zur Straße hochwandert. Wir leuchten mit Taschenlampen den Weg ab.
Oben werden wir von unserem Reiseleiter und einem Fahrer abgeholt. Wir sind fünf Personen in der Reisegruppe. Ein Pärchen aus Bremen, Christina und Marco, 40 und 42 Jahre alt. Brigitte aus Bielefeld, stolze 77 Jahre alt, Mutter, Großmutter und auch schon Ur-Großmutter. Und dann noch Anja aus Herten, 41. Mit ihr teile ich mir das Zimmer. Die 16-tägige Rundreise durch Uganda verbringen wir fünf miteinander auf engstem Raum. Heute ist Tag vier unserer Reise.
Oben an der Straße angekommen wartet das Auto schon mit laufendem Motor. Ein grüner Landcruiser. Vorne sitzen der Fahrer und der Guide, hinten passen sieben Leute rein.
Unser Reiseleiter hatte uns gestern Abend noch auf die wichtigsten Dinge hingewiesen, die wir auf keinen Fall vergessen dürfen: genug Wasser (mindestens zwei Liter pro Person), feste Schuhe, langärmeliges Shirt als Schutz vor den Mosquitos, Regensachen, außerdem eine Mütze oder Hut (als Schutz vor der Sonne) und Handschuhe. Ich habe Arbeitshandschuhe aus dem Baumarkt. Die brauchen wir, damit wir uns im Dschungel gut festhalten können, weil die Sträucher und Bäume oft Dornen haben.
Es ist 20 Minuten nach sechs, als wir endlich losfahren.
Mit dem Auto über “Massage-Straßen”
Wir haben von den Lodge-MitarbeiterInnen ein Lunchpaket mitbekommen. Ich packe alles einzeln in meinen Rucksack: ein Sandwich, ein kleines Saft-Päckchen mit Mango-Geschmack, eine Banane, ein Ei und etwas für mich noch undefinierbares, braunes in Frischhaltefolie. Ich vermute, dass es Kuchen oder Bananenbrot ist. Zur Sicherheit habe ich in meinem Rucksack noch ein paar Kekse, falls ich beim Trekking schnell etwas Zucker für den Kreislauf brauche. Das Verstauen der Esssachen gestaltet sich schwierig. Denn der Wagen rumpelt heftig durch die unzähligen Schlaglöcher.
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Mit diesem Landcruiser sind wir zum Gorilla Trekking gebracht worden
Wir kommen auf der roten Lehmstrasse, eher eine Schotterpiste, teilweise nur im Schritttempo voran. Ich halte mich an einem Griff fest und erschrecke regelmäßig, weil ich Angst habe, der Wagen kippt um. Dann lacht der Fahrer. Die Ugander nennen ihre Straßen zärtlich „Massagestraßen“, weil man durch das Rumpeln gründlich massiert wird, sagen sie. Wir reden über das, was uns bevorsteht, und stellen uns vor, wie die Begegnung mit dem Silberrücken, dem großen Boss der Gorillafamilie, sein wird.
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Auf dem Weg zum Gorilla Trekking: Die Sonne geht auf
Aus dem Fenster kann ich beobachten, wie die Sonne aufgeht. Die Morgenröte kommt hinter den Bergen hervor. Wie eine weiche Decke liegt der Morgennebel über den Tälern. Ein großartiger Anblick. Mir wird klar, weshalb Winston Churchill dieses Land als „Perle Afrikas“ bezeichnet hat. Wir fahren über mit dichtem Grün bewachsene Berge und durch enge Kurven. Rechts ist die Bergwand, links blicke ich in eine tiefe Schlucht hinunter. Leitplanken oder andere Absicherungen an den Straßen gibt es nicht. An den steilen Hängen gegenüber kann man die Felder der Bauern sehen. Auf den quadratischen Abschnitten werden Bohnen, Tee, und Kartoffeln angebaut.
Wir überholen immer wieder Einheimische, die zu Fuß unterwegs sind. Oft ohne Schuhe. Die Frauen in den bunten Kleidern tragen ihre Sachen auf dem Kopf: gelbe Wasserkanister und Feuerholz. Viele Kinder spielen an der Straße. Wenn sie uns sehen, springen sie auf, lachen, winken, laufen ein paar Meter hinter dem Auto her. Die Ugander nennen uns „Muzungus“, „Weiße“. Sie mögen Muzungus, können aber nicht nachvollziehen, warum Weiße Tausende Kilometer anreisen und so viel Geld bezahlen, nur um Gorillas zu sehen, sagt Reiseleiter Henry. Ein Gorilla-Trekking kostet um die 650 US-Dollar, also ungefähr 520 Euro.
Zum Vergleich: Für diese Summe kann man ein Kind in Uganda ein Jahr zur Schule schicken, inklusive Schulgeld, Essensgeld und Schuluniform.
Henry heißt übrigens nicht Henry. Aus Sicherheitsgründen nenne ich seinen richtigen Namen nicht. Er steht der Politik seines Landes und dem Präsidenten kritisch gegenüber. Das kann für ihn gefährlich sein. Henry könnte für kritische Äußerungen leicht ins Gefängnis kommen. Korruption sei an der Tagesordnung, beklagt er. Viel Geld verschwinde einfach, auch das aus dem Gorilla-Tourismus, sagt er. „Von dem Geld was die Regierung sammelt könnten vernünftige Schule gebildet werden, vernünftige Krankenhäuser.“ Stattdessen passiere so gut wie nichts. Auch in die Straßensanierung werde nicht investiert.
Wir sind auf dem Weg zum Bwindi-Nationalpark. Er ist über 300 Quadratkilometer groß. Seit 1994 ist er von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannt. Nach anderthalb Stunden Fahrt, es ist kurz vor acht, wird der Wagen langsamer. Am Straßenrand sitzen junge Männer und verkaufen Berggorillas aus Holz. Unser Reiseführer wechselt ein paar Worte mit einem der Männer.
Sie scheinen sich verständigen zu können. Das ist nicht selbstverständlich, denn in Uganda gibt es mehr als 50 verschiedene Völker und 40 verschiedene (Stammes-)Sprachen. Deshalb müssen Ugander oft auf Englisch ausweichen, der ersten Amtssprache des Landes. Der Wagen hält jetzt auf einem Parkplatz. Das Ziel unserer Reise ist fast erreicht.
Die letzten Vorbereitungen und Einweisungen
Jeder von uns überlegt nun: Welche Sachen ziehe ich schon an, welche behalte ich im Rucksack?! Christina, mittelbraune Korkenzieherlocken bis zur Schulter, holt ihre Gamaschen raus. Die sollen beim Trekking Schuhe und Hose schützen. Ich habe dummerweise versäumt, mir Gamaschen zu kaufen. Ich beschließe darum meine Regenhose sofort anzuziehen. Obenrum habe ich ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Trainingsjacke an. Nachdem wir alle fertig sind, trotten wir in der Gruppe etwa 200 Meter durch den Wald zu einer Lichtung.
Dort angekommen sehen wir zwei Pavillions aus weißem Stein mit grünem Wellblechdach.
Unser Reiseleiter sammelt unsere Pässe ein, um uns im ersten Pavillion anzumelden. Hier werden die Genehmigungen ausgestellt. Die 650 US-Dollar für das Trekking sind in unserem Reisepreis enthalten. 4000 Euro habe ich insgesamt für die Uganda-Rundreise über 16 Tage bezahlt. Nach der Anmeldung folgt die Einweisung in dem kleinen Informationszentrum im zweiten Pavillion. Nach und nach treffen immer mehr EuropäerInnen ein, die heute ebenfalls ein Gorilla Trekking machen.
Und dann stellt sich uns ein Ranger namens Steven vor, ein sympathischer junger Mann in einer grünen Uniform. Steven heißt uns willkommen und weist uns in den heutigen Tag ein. Er erzählt, dass hier im Bwindi-Nationalpark zwölf Gorillagruppen leben, die an Menschen gewöhnt sind. 24 weitere Familien sind es nicht, sie sind wild und scheu. Von diesem Punkt aus im südlichen Teil des Parks, können wir sechs Gorillagruppen erreichen. Er zeigt uns die Gegend auf der Karte.
Er erklärt uns, dass es weltweit noch 800 Berggorillas gibt, die Hälfte davon lebe in Uganda. Die Trekkings würden von einer großen Organisation überwacht, dem IGDP, International Gorilla Conservation Programme. Das bedeute, dass alle Trekkings, auch in Ruanda und im Kongo, nach den gleichen Regeln ablaufen: eine maximale Gruppengröße von acht Personen und nach spätestens einer Stunde verlässt man die Gorillas wieder.
Dann erklärt er uns noch, dass wir von zwei bewaffneten Rangern begleitet würden. Einer geht voraus, ein anderer hinterher. Das sei nötig, falls wir Buschelefanten treffen. Oder Gorillafamilien, die nicht an Menschen gewöhnt sind, und deshalb aggressiv reagieren könnten. Im Fall des Falles schießen die Männer in die Luft, um sie zu verjagen.
Der Ranger, der unsere Gruppe heute führen wird, heißt Onesmas. Er fällt durch eine gerade stolze Körperhaltung auf. Auch er trägt eine grüne Uniform.
![Das ist Onesmas, der Ranger, der und zu den Gorillas führt](https://ugandaleaks.com/wp-content/uploads/2016/11/Onesmas-ist-der-Ranger-der-uns-heute-zu-den-Gorillas-führt-300x225.jpg)
Onesmas, der Ranger, der und zu den Gorillas führt
Heute sind ganz früh Fährtenleser losgegangen, um unsere Gorilla-Familie zu finden. Onesmas steht mit ihnen in Funkkontakt. Wir sollen bei dem Trekking auf jeden Fall immer ganz genau auf seine Anweisungen hören. Unter anderem, müssen wir einen Mindestabstand von sieben Metern zu den Gorillas einhalten. Wenn die Tiere näherkommen, sollen wir ihnen aus dem Weg gehen. Wir dürfen die Gorillas nicht anfassen, damit wir keine Krankheiten übertragen, und uns aber auch selbst nicht anstecken! Onesmas fragt, ob wir vielleicht Träger wollen. Es sind junge Männer aus dem Dorf, die unseren Rucksack tragen und dafür 15 US-Dollar oder 41.000 Uganda-Schilling verlangen. Beide Währungen werden hier im Land akzeptiert. Umgerechnet sind das etwas über 12 Euro. Wir wollen alle einen. Er winkt die bereits wartenden Träger heran.
Mit ist die Situation unangenehm. Einen anderen mein Gepäck tragen zu lassen?! Auf der anderen Seite weiß ich, dass ich, wenn ich ihre Hilfe nicht in Anspruch nehme, einen ganzen Tagesverdienst verweigere. Die Arbeitslosigkeit in Uganda liegt bei über 30 Prozent. Ein junger Mann kommt auf mich zu, offener Blick, er lächelt freundlich. Er trägt eine grau-blaue Uniform und dunkelgrüne Gummistiefel. Er heißt Sullivan und trägt heute meinen Rucksack. Sullivan ist so groß wie ich, etwas über 1,60 Meter, schmale Statur. Ich werde später bei diesem Trekking noch dankbar sein, dass er an meiner Seite ist!
Nach der Einführung fahren wir als Gruppe noch etwa zehn Minuten mit dem Auto weiter und haben dann den Punkt erreicht, von dem aus das Gorilla Trekking startet.
Wie das Treffen mit den Gorillas abläuft, erfahrt ihr in Teil 2: “Gorilla Trekking: Flirt mit dem Silberrücken – die Begegnung“
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Ein Silberrücken bei seiner üblichen Tagesbeschäftigung: essen!