Der ungekürzte Beitrag “Flirt mit dem Silberrücken – die Vorbereitung und die Begegnung” zum NACHHÖREN!! (22 Minuten mit Originalgeräuschen der Menschen und der Tiere)
Nach den Vorbereitungen und der Einweisung bekommt jeder von uns einen Wanderstock und los geht´s. Die Sonne scheint. Es ist eine angenehme Temperatur im T-Shirt, ca. 25 Grad. Anja aus Herten geht neben mir. Sie hat ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Mit ihr hatte ich wirklich Glück. Wir haben uns vorher nicht gekannt. Weil ich aber nicht alleine reisen wollte und ein Doppelzimmer billiger ist, hatte ich im Internet eine Anzeige aufgegeben: Reisepartnerin gesucht! Sie hatte sich gemeldet. Wir hatten beide Sorge, dass unsere Reise wegen der Ebola-Epidemie in Afrika nicht stattfinden könnte. Aber das Auswärtige Amt hatte bis zuletzt nicht vor einer Reise nach Uganda gewarnt. Hier im Land selbst scheint Ebola kein Thema zu sein. Sowohl Reiseleiter als auch das Servicepersonal in den Lodges reagieren auf meine entsprechende Frage immer sehr gelassen.

Die Reisegruppe: (v. links.) Christina, Brigitte, Marco, ich und Anja.Die Fährtenleser geben den Standpunkt der Gorillas durch
Fährtenleser geben den Standpunkt durch
Inzwischen hat Onesmas sein Funkgerät raus geholt und spricht. Er redet mit den Fährtenlesern. Sie waren früh am Morgen losgelaufen, um die Tierfamilie zu suchen. Die Männer geben Onesmas ihren Standort durch. Dann verlassen wir den Weg und fangen an, eine steile Dschungelwand hochzuklettern. Onesmas schlägt mit seiner Machete den Weg frei.

Um über einen kleinen Fluss zu kommen, fällen die Ranger kurzerhand einen Baum
Ich sehe ein dichtes Gewirr aus Lianen, Farnen und Bäumen. Der Regenwald ist hier dicht und feucht. Es riecht nach Moos. Fliegen und Mosquitos summen um meinen Kopf. Meter für Meter klettern wir jetzt den fast senkrechten Hang hoch. Einen Schritt nach dem anderen. Es ist nur möglich Halt zu bekommen, wenn ich meine Fersen fest in den Boden stampfe. Der Humusboden ist weich und gibt nach. Mein Puls rast, der Schweiß läuft an mir herunter.
Ab und zu kann ich mich an einer Liane festhalten. Gut, dass ich die Baumarkthandschuhe habe, denn an vielen Ästen sind spitze Dornen. Sullivan geht vor mir und hilft mir, wenn es sehr steil ist. Ich bin sprachlos. Ich habe mir vor der Reise teure Wanderschuhe gekauft und rutsche trotzdem immer wieder weg. Aber Sullivan mit seinen einfachen Gummistiefeln hat festen Halt und stützt mich auch noch!
Die erste Begegnung mit einem Gorilla
Onesmas gibt jetzt die letzten Hinweise, wir scheinen fast am Ziel zu sein. Er gibt folgende Anweisung: „Wir lassen jetzt unsere Wanderstöcke hier und geben sie den Trägern mit. Nicht vergessen: nicht essen, nicht trinken, wenn wir in der Nähe eines Gorillas sind. Kein Blitzlicht beim Fotografieren benutzen. Und nur falls ihr weglaufen wollt, wenn ihr einen Gorilla seht, das ist nicht die beste Option, denn sie sind schneller als ihr.“

Der erste Gorilla, den ich sehe. Er hängt am Baum und ist mit sich und der Welt zufrieden
Ein paar Minuten später deutet Onesmas mit dem Finger auf etwas oben in einem Baum. Darauf habe ich mich so lange gefreut: Es ist der erste Berggorilla, den ich in Freiheit sehe. Er hängt mit einem Arm am Ast, und pendelt lässig, die Beine angewinkelt, hin und her. Mit der freien Hand zieht er die Blätter von den Lianen ab und isst sie genüsslich. Wir fangen an zu fotografieren. Der noch junge Gorilla lässt sich nicht stören. Bei nichts. Irgendwann klettert er den Baum herunter, setzt sich ein paar Meter weiter auf den Boden und isst weiter. Dabei dreht er uns den Rücken zu. Onesmas gibt das Zeichen, dass wir ihm leise folgen sollen. Wir klettern hinter dem Tier her – bis zu einem Bachlauf.

Der Silberrücken wirkt friedlich. Er beobachtet uns und isst weiter
Dort sitzt der Rest der Familie: ein, zwei, drei, vier Gorillas, dazu noch ein Kleiner im Baum und etwa fünf Meter vor uns, zum Greifen nah, der Silberrücken! Der riesige Chef des Clans. Gelassen, schmatzend. Ein saftiges Blatt nach dem anderen wandert in sein Maul. Nur sein gewaltiger Kopf guckt aus dem üppigen Grün hervor. Er scheint völlig unbeeindruckt, dass plötzlich Menschen auftauchen. Geräusche geben die Gorillas kaum von sich. Die Ranger machen ab und zu Brummlaute, um sie zu beruhigen. Kurze Zeit später antwortet ihnen die Gorilla-Gruppe, man muss aber genau hinhören, um es mitzubekommen.
Die Gorillafamilie lässt sich nicht stören
Der Silberrücken ist nur ein paar Meter von mir entfernt. Ab und zu treffen sich unsere Blicke, seine braunen Augen sind faszinierend. Wenn er mich anguckt, habe ich das Gefühl, er guckt direkt in meine Seele. Ich atme flach und versuche mich ganz ruhig zu verhalten, damit ich jede Sekunde voll aufsaugen kann. Ich beobachte seine schwarzen Hände, mit denen er die Blätter rupft. Sie sind den Menschenhänden so ähnlich. Ich habe nicht das Gefühl vor einem wilden Tier zu sitzen, sondern eher, als ob ich einen alten Freund wiedergetroffen habe.
Um uns herum ist alles ganz friedlich, ganz ruhig. Da höre ich diese Worte von Onesmas: „So, kommen wir zum Ende.“

Wer beobachtet hier wen?
Es ist wirklich schon eine Stunde verflogen. Als wir umkehren, erhebt sich der Silberrücken auf einmal und setzt sich in Bewegung. So können wir den Koloss noch einmal in seiner ganzen Pracht bewundern. Das ca. 20 Jahre alte Tier wiegt mindestens 200 Kilo, verrät mir Onesmas.
An dem Weg warten die Träger mit unseren Rucksäcken. Ich gebe Sullivan 20 Dollar. Er war mir eine echte Hilfe.
Ich stelle für mich fest: Vier Stunden Gorilla-Trekking für stattliche 650 US-Dollar sind eine teure Angelegenheit. Aber in meinen Augen war jede Minute, jede Sekunde, die ich in der Nähe der faszinierenden Gorillas verbracht habe, das Geld wert.

Einer der schönsten Momente in meinem Leben
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