Viele Ugander haben Angst vor Aids, aber keiner redet darüber
Bis heute ist Aids ein großes Thema in Uganda – und ein großes Tabu! Kaum einer traut sich darüber zu reden. Die Angst ist so groß, dass teilweise sogar Familienangehörige nicht Bescheid wissen, wenn der Vater, die Mutter, die Schwester, der Bruder oder auch die Kinder HIV-positiv sind. Und aus Panik vor der Krankheit lassen sich viele Frauen und Männer erst gar nicht testen: Sie wollen es nicht wissen. Trotz der Ignoranz sehen die reinen Fakten gar nicht so schlecht aus, wenn man sie mit früheren Zahlen vergleicht.
1,5 Millionen Ugander sind HIV-positiv, weniger als vor zwei Jahren
Nach dem aktuellen „UNAIDS Gap Report 2016“ lebten im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Ugander mit der Diagnose:„HIV-positiv“. Das sind etwa 7,1 Prozent der Erwachsenen. Es wurden im Jahr 2015 rund 83.000 Neuinfektionen gezählt. 28.000 Menschen sind an Aids gestorben. Ein großer Teil der Infizierten nimmt Medikamente. Wenn sie sich an die Therapie halten, können sie ein weitestgehend normales Leben führen.
Die Aufklärung durch die Regierung und Hilfsorganisationen hat offenbar schon geholfen. Denn zum Vergleich: In 2013 waren nach Angaben des „UNAIDS Gap Report 2014“ geschätzte 1,6 Millionen Ugander HIV-positiv. In dem Jahr sind etwa 63.000 Menschen an Aids gestorben. Eine weitere Zahl, die damals aufschrecken lies: In dem Jahr gab es rund 140.000 Neuinfektionen.
Der Präsident forderte Männer zu Treue auf
In den 1980er Jahren war der immer noch amtierende Präsident Yoweri Museveni einer der ersten afrikanischen Staatsoberhäupter, der Aids offen als Problem angesprochen hat. Er forderte die Männer zur ehelichen Treue auf. Im Laufe der Jahre investierte die Regierung auch in präventive Maßnahmen. Dazu gehören Aufklärungs- und Kondomkampagnen
Heute ist es so, dass Kondome durchaus kostenlos zur Verfügung stehen. In vielen Lodges liegen diese Verhütungsmittel aus und dürfen umsonst mitgenommen werden. Auch in Kliniken gibt es Kondome „for free“. Wenn Ugander aber kein Kondom mitnehmen und immer dabei haben, sieht es schlecht aus. In den Dörfern gibt es zwar Läden, in denen man Kondome kaufen kann, aber sie sind sehr teuer. Ein Ugander erzählt mir, dass ein Päckchen mit drei Kondomen etwa 1000 Uganda-Schilling kosten. Umgerechnet sind das etwa 25 Cent. Aber bei einem sehr geringen Monatseinkommen wird das Geld eher für Essen als für Verhütung ausgegeben. Farmer beispielsweise sind oft Selbstversorger und haben gar kein Geld im Portemonnaie. Sie verkaufen etwas, wenn sie Geld brauchen. Es ist unrealistisch, dass sie erst eine Bananenstaude verhökern, damit genug Geld für Kondome da ist.
Geschützte Liebe ist gewünscht, oft bleibt es aber beim Wunsch
Die Frauen in Uganda sind bei dem Thema Verhütung klar im Nachteil. Auch, wenn sie sich für geschützten Sex aussprechen, halten sich die Männer oft nicht dran. Mehrere Uganderinnen haben mir von ihren Erfahrungen erzählt. Ihnen war es sichtlich unangenehm. Sie kennen es nicht, dass man offen über das Thema Sex und Verhütung redet. Erst als ich erzähle, dass Verhütung in Deutschland eine Absprache zwischen Mann und Frau ist, öffnen sie sich langsam. Jane, Anfang 20, große Augen, ein sehr hübsches Gesicht, lange, geflochtene Rastazöpfe, sehr schwarze Haut, schilderte mir ihr Erlebnis: „Ich habe ihm gesagt: „Nur mit Kondom!“ Da hat er gesagt, dass das in Ordnung ist. Als wir dann schon dabei waren und ich ihn gefragt habe: „Hey, wo ist das Kondom?“, da hat er gesagt: „Gleich!“ und hat einfach weitergemacht.“ So wie Jane geht es vielen Frauen. Ich höre die Geschichte öfter in nur leicht abgewandelten Varianten.
Andere Liebespaare schützen sich eher halbherzig. Sie fragen sich gegenseitig, ob der andere einen Test gemacht habe. Das bejahen sowohl Mann als auch Frau. Sie glauben es sich gegenseitig und haben anschließend ungeschützten Sex! Auch das ist eine Möglichkeit die Augen vor der Realität zu verschließen.
Viele Aids-Waisen leben in Uganda
Problematisch ist es auch für die Kinder, die auf die Welt kommen und ihre Eltern oder auch nur einen Elternteil an Aids verlieren. Die Waisen haben einen denkbar schlechten Start ins Leben. Ich habe bei einem meiner letzten Aufenthalte einen Kindergarten in einem ärmeren Stadtteil Kampalas besucht. Der ganze Hof war voller spielender Kinder. Ich schätze die Anzahl auf rund 50. Vom Baby bis hin zum Schulkind war jede Altersstufe vertreten. Der Leiter des Kindergartens hat mir damals gesagt, dass 80 Prozent der Kinder Waisen oder Halbwaisen sind, weil ihre Eltern an Aids gestorben sind. Viele der Kinder sind selbst HIV-positiv. Ihre Zukunft ist ungewiss.
Männer sind diejenigen, die bei dem Thema Aids und HIV mehr in die Pflicht genommen werden müssen, denn Untreue ist ein großes Problem in Uganda. Ich kenne kaum eine Frau, die nicht betrogen wurde. Natürlich gehen auch Frauen fremd, aber das ist eindeutig der kleinere Teil. Sie haben oft gar nicht die Möglichkeit dazu, denn sie kümmern sich den ganzen Tag um Familie und Haushalt. Alleine gehen sie nur weg, um Familienangehörige zu besuchen oder einzukaufen. In diesen kurzen Zeiten jemanden kennenzulernen und die Beziehung so aufzubauen, dass man im Bett landet, das ist fast unmöglich.
Der Mythos: Sex mit Jungfrauen heilt Aids
Das Bewusstsein der Ugander hat sich glücklicherweise im Laufe der Jahre verändert. Die Aufklärung funktioniert. Früher glaubten Männer, dass sie wieder gesund werden, wenn sie mit einer Jungfrau schlafen. Das waren vor allem Männer, die auf dem Land lebten und keine Schulbildung hatten. Dieser Mythos war allerdings nicht nur in Uganda verbreitet, sondern auch in anderen afrikanischen Ländern, haben mir mehrere ugandische Reiseleiter auf meine Nachfrage erklärt.
Dieser falsche und dumme Glaube hatte natürlich schlimme Folgen. Viele minderjährige Mädchen wurden vergewaltigt und steckten sich durch die Täter an. Die HIV-Infektion gaben sie wiederum an ihre späteren Liebespartner und Ehemänner weiter. Sie wusste schlicht nicht, dass sie ansteckend waren. Und, das hat sich bis heute nicht geändert, viele wollen es auch nicht wissen, damit sie keine Maßnahmen treffen müssen. Sich mit der Krankheit auseinanderzusetzen, das macht Männern und Frauen Angst. Ein infantiles Verhalten: „Ich weiß es nicht, darum ist es nicht da!“ Hier liegt noch ein weiter Weg vor den Ugandern, aber, das darf nicht außer Acht gelassen werden, es ist rückblickend auch schon viel geschafft!